Rückblick: Smart Grids-Gespräche – „Das Licht bleibt an“ am 24.Juli 2025
Wie können wir die Resilienz unserer Energienetze als kritische Infrastruktur stärken und sie gegen Störfälle und Cyberangriffe schützen? Darüber sprachen wir bei unseren Smart Grids-Gesprächen im Hospitalhof Stuttgart.

Nachbericht
Smart Grids-Gespräche am 24. Juli 2025: „Das Licht bleibt an."
Systemsicherheit, Cybersecurity und KRITIS-Komponenten für eine resiliente Energieversorgung
Die wachsenden geopolitischen Herausforderungen wirken sich zunehmend auf die Energieversorgung als kritische Infrastruktur aus. Die Energienetze werden immer häufiger zum Angriffsziel – sowohl physisch als auch aus dem Cyberraum. Gleichzeitig erhöhen die größere Anzahl der Anlagen und die zunehmende Komplexität des Energiesystems potenzielle Fehlerquellen. Bei unseren Smart Grids-Gesprächen am 24. Juli 2025 diskutierten wir mit Fachexpertinnen und -experten, wie wir die Resilienz unserer Energienetze auf den verschiedenen Ebenen stärken können, und welche Rolle dabei einzelne Komponenten im Gesamtsystem, bis hin zur Psychologie der Nutzer, spielen.

SmartGridsBW organisierte die Vor-Ort-Veranstaltung, unterstützt vom Future Energy Lab der Deutschen Energie-Agentur (dena). Bewusst wurde kein hybrides Format gewählt, um offene Diskussionen im geschützten Raum zu ermöglichen, sowie die Zweckentfremdung von Veranstaltungsaufzeichnungen bei diesem sehr politischen Thema zu vermeiden. Von 14:00 bis 17:45 Uhr beleuchteten hochkarätige Referenten verschiedene Aspekte der Resilienz des Energiesystems und Cybersecurity. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Friederike Wenderoth (dena) und Christian Schneider (SmartGridsBW).
Keynote

Die Keynote hielt Michael Bloss (MdEP), Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen und Experte für Industrie, Forschung und Energie. In seinem Impulsvortrag stellte Bloss die europäische Perspektive der Energiesicherheit in den Mittelpunkt und betonte die strategische Bedeutung einer auf erneuerbaren Energien basierenden Versorgung, sowohl für die Unabhängigkeit als auch für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Europas. Er verwies auf die Notwendigkeit eines koordinierten Vorgehens zwischen den Mitgliedstaaten bei Fragen der Sicherheit kritischer Infrastrukturen (z.B. durch die europäische NIS2-Richtlinie) und hob hervor, dass alle Energiefragen nicht nur technische und wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Dimensionen besitzen. Bloss brachte es dabei auf den Punkt: Erneuerbare Energien seien „Freiheitsenergien“, denn sie machten uns unabhängig von der Versorgung durch autokratische Regime und böten darüber hinaus große wirtschaftliche Potenziale für den Standort Baden-Württemberg, wie auch Europa.
Vorträge

Dr. Tobias Weißbach, Leiter Produkte & Nichtstandardisierte Märkte bei der TransnetBW GmbH, präsentierte anschließend die Herausforderungen aus Sicht eines Übertragungsnetzbetreibers. Dr. Weißbach beleuchtete sowohl konzeptionelle wie auch die operative Seite der Systemsicherheit aus Sicht des Übertragungsnetzbetreibers. In seinem Vortrag zeigte er auf, wie die zunehmende Komplexität der Energiewende neue Anforderungen an die Netzführung stellt und welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit der verschiedenen Systeme physisch wie auch über IT-Infrastrukturen zu gewährleisten. Anschaulich verdeutlichte Herr Weißbach auch, wie im Ernstfall ein Netzrebuild aussieht und warum es relevant ist auch solch unwahrscheinliche Ereignisse regelmäßig zu üben.

Peter Breuning, Geschäftsführer von AMP ENERGY SOLUTIONS und Vorstandsmitglied von SmartGridsBW, teilte seine über 40-jährige Erfahrung im Aufbau von Netzleittechnik und Netzführungssystemen. Als ehemaliger Abteilungsleiter für Netzleittechnik bei den Stadtwerken Schwäbisch Hall und Verantwortlicher für die größte VNB-Verbundleitstelle in Deutschland konnte er aus seinem großen Erfahrungsschatz berichten. Herr Breuning erläuterte die praktischen Aspekte der Netzführung und zeigte auf, wie sich die Anforderungen an die Fernwirktechnik und Netzleittechnik durch die Energiewende verändert haben. Seine Erfahrungen aus erfolgreichen Smart-Grid-Projekten wie C/sells und DA/RE flossen dabei in die Darstellung ein, wie moderne Netzführungssysteme zur Resilienz der Energieversorgung beitragen können. Wichtig ist hierbei nicht nur die Ausstattung der Beteiligten mit autarken Kommunikationsmöglichkeiten, sondern auch die regelmäßige praktische Übung.

Carsten Bruns, Geschäftsführer der beegy Better Energy GmbH (einer Tochter der MVV Energie AG), beleuchtete die Rolle dezentraler Energiemanagementsysteme für die Systemsicherheit. Mit seiner über 20-jährigen Erfahrung in der Energiebranche und Stationen bei BCG und der EnBW präsentierte er einen innovative Ansatz zur Entwicklung eines Heimenergiemanagement-Systems (HEMS) unter Anwendung von Industrie- und Branchenstandards, welches ein gleich hohes Sicherheitsniveau wie andere KRITIS-Hardware mit BSI-Schutzprofilen erreicht. Herr Bruns zeigte auf, wie die Optimierung mit einem solchen HEMS „im Haus“ nicht nur zur Klimaneutralität beiträgt, sondern gleichzeitig die Versorgungssicherheit durch Implementierung von netzdienlicher Betriebsführung erhöhen können.

Prof. Dr. Stefan Sütterlin, Professor für Cyberpsychologie an der Fakultät Informatik der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, brachte eine weitere Perspektive in die Diskussion ein, indem er die psychologischen Aspekte der IT-Sicherheit beleuchtete. Seine Forschung zu Insider-Bedrohungen, Cybercrime und kognitiver Kriegsführung verdeutlichte, dass technische Sicherheitsmaßnahmen allein nicht ausreichen, sondern die Komponente Mensch großer Aufmerksamkeit bedarf. In seinem Vortrag erläuterte er, wie gezielte Ansprachen von Organisationsangehörigen durch externe Dritte funktionieren und wie durch entsprechende Awareness-Trainings die Cyberresilienz von Organisationen gestärkt werden kann. Besonders interessant waren seine Ausführungen zur Früherkennung und Abwehr von Beeinflussung sowie die Erfahrungen aus Projekten mit dem European Security and Defence College und der NATO Science & Technology Organisation.

Alexander Folz, Regierungsdirektor aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, bildete das Finale mit der Roadmap Systemstabilität. Herr Folz, der seit 2005 im Energiebereich tätig ist, war früher u.a. für die Auflegung der SINTEG-Projekte verantwortlich und leitete den Prozesses zur Erstellung der Roadmap Systemstabilität. Er zeigte auf, wie die Weiterentwicklungen für einen sicheren Netzbetrieb mit 100% erneuerbaren Energien und die damit verbundenen systemischen Herausforderungen aussehen müssen. Die Roadmap zeigt dabei konkrete Wege auf (z.B. die Implementierung netzbildender Wechselrichter), um die Versorgungssicherheit auch bei steigendem Anteil volatiler erneuerbarer Energien zu gewährleisten.
Paneldiskussion & Fazit


Das finale Panel entwickelte eine lebhafte Diskussion sowohl zwischen den Referenten wie auch mit dem Publikum. Die Experten diskutierten, wie die verschiedenen Ansätze verzahnt werden müssen, um eine Resilienz der Energieversorgung weiterhin sicherzustellen. Auch die Integration der beiden anderen Dimensionen des energiepolitischen Dreiecks, Emissionsvermeidung und Wirtschaftlichkeit müssen in die Überlegungen zum resilienten Netzdesign implementiert werden. Wichtige Erkenntnisse waren, dass sowohl politisch, technische als auch organisatorische und psychologische Maßnahmen Hand in Hand gehen müssen.

Ein besonderer Fokus der Diskussion lag auf der Frage, wie die verschiedenen Akteure im Energiesystem – von Übertragungsnetzbetreibern über dezentrale Anbieter bis hin zu Endverbrauchern – für die gemeinsame Aufgabe der Systemsicherheit sensibilisiert und eingebunden werden können. Die Komplexität der modernen Energieversorgung erfordert eine weitreichende Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten. Ansätze wie jener der Roadmap Systemstabilität, welche eine Einbindung der Stakeholder beinhaltete, wurden ausdrücklich begrüßt.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Get-Together bei einem schwäbischen Imbiss, der Gelegenheit zur Vernetzung sowie zur ausführlichen Diskussion des Gehörten bot. Viele Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, um direkt mit den Referenten ins Gespräch zu kommen und spezifische Fragen zu vertiefen.

Wir danken allen Referenten für die fundierten und vielschichtigen Vorträge, die ein umfassendes Bild der aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze für eine resiliente Energieversorgung vermittelten. Vielen Dank auch an alle Teilnehmenden vor Ort für das große Interesse am Thema und die vielen konstruktiven Diskussionsbeiträge.