Interview mit Prof. Dr. Sabine Löbbe (REZ)

Wie gelingt die Energiewende mit Smart Grids? Prof. Dr. Sabine Löbbe vom REZ Reutlingen gibt im Interview Einblicke in Forschung, neue Geschäftsmodelle und ihre Vision für die kommenden Jahre.

Veröffentlicht: 1. Oktober 2025 | Kategorie: Allgemein, News
Hochschule Reutlingen

Prof. Dr. Sabine Löbbe (REZ)

Mit Prof. Dr. Sabine Löbbe stellen wir eine Persönlichkeit vor, die Forschung, Praxis und Strategie in der Energiewirtschaft seit vielen Jahren prägt. Sie ist Professorin für Energiewirtschaft und Energiemärkte am Reutlinger Energiezentrum (REZ), ein jahrelanges Mitglied der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg, mit welchem wir neben weiteren Mitgliedern bereits in mehreren Projektkonsortien erfolgreich zusammenarbeiten durften. Zum 01. September 2025 trat sie das Amt der Präsidentin der Hochschule Reutlingen an. Im Interview spricht sie über die Rolle von Smart Grids für die Energiewende, neue Geschäftsmodelle und die Bedeutung von Akzeptanz – und gibt einen Ausblick auf die kommenden Jahre.

1. Frau Prof. Löbbe, Sie traten zum 01. September 2025 das Amt der Präsidentin der Hochschule Reutlingen an. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert – und welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?

Ich habe mir in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder neue Felder erschlossen, sei es als Leiterin in der Unternehmensentwicklung oder in meiner Selbstständigkeit, wo ich bereits Verantwortung für das Ganze trug. Genau diese Verantwortung für das große Ganze hat mich nun auch an der Hochschule gereizt. Hier geht es nicht nur um Lehre und Forschung, sondern auch darum, Zukunft mitzugestalten und Brücken in die Gesellschaft hinein zu schlagen

 

2. In Ihren Projekten – etwa im Reallabor Klimaneutrales Reutlingen – verbinden Sie wissenschaftliche Forschung mit praktischer Umsetzung vor Ort. Welche Rolle spielen solche Reallabore für die Transformation hin zur Klimaneutralität?

Transdisziplinäre Forschung, die gemeinsam mit Praxispartnern auf Augenhöhe durchgeführt wird, ist ganz wichtig, wenn es um die Erforschung von Veränderungsprozessen geht. Und eine solche ist ja die sogenannte „Transformation zu Klimaneutralität“ für eine Stadt.

Im Rahmen des Projekts Klima RT LAB (klimartlab.reutlingen-university.de) erforschen wir den Transformationsprozess des Konzerns Stadt Reutlingen zur Klimaneutralität. Es geht also nicht um die Stadt insgesamt, sondern „nur“ um den Stadtkonzern. Dazu werden Realexperimente in fünf klimarelevanten Handlungsfeldern in Tandemteams aus Forschung und Praxis durchgeführt. Ziel ist es, den Weg zur Klimaneutralität in der Stadtverwaltung und den kommunalen Unternehmen der Stadt zu verankern, den Institutionalisierungsprozess der Klimaneutralität zu erforschen und relevantes Transformationswissen abzuleiten. Jeder, der mal in den Entscheidungsprozessen  der Verwaltung und in Beteiligungsunternehmen unterwegs war, weiß: es geht nicht nur um die Sache, beispielsweise die Abwasserwärme-Nutzung, in technischer Hinsicht. Es geht auch um Verantwortlichkeiten, zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmte Maßnahmen – von Investitionen bis hin zur Einführung von neuen Prozessen, um Haftungsfragen, Regulatorik und Entscheidungsstrukturen. Und da kommt der Reallabor-Ansatz so richtig zum Tragen: je vielschichtiger eine Planungs- und Umsetzungsfrage in der Praxis ist, desto eher ist ein Reallabor geeignet für eine forschende Begleitung. Denn genau so lernen die Forschenden die „wahren“ Praxisprobleme kennen und können Transformationsbedingungen und -pfade ableiten, die erfolgversprechend sind.

 

3. Smart Grids ermöglichen neue Geschäftsmodelle. Welche Ansätze halten Sie für besonders zukunftsweisend?

Solche Ansätze, die mit möglichst wenig Aufwand und möglichst hohem Nutzen für alle Akteure einhergehen. Das sind Ansätze, die KI nutzen, um Nutzerpräferenzen besser zu erkennen und damit zu maßgeschneiderten Angeboten beitragen, die den Netzausbau vorausschauend unterstützen, und die die Bausteine dezentrale Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch(ssteuerung) im Sinne des Gesamtnutzens optimieren.

 

4. Akzeptanz ist entscheidend: Was braucht es, damit Bürgerinnen, Kommunen und Unternehmen die Vorteile von Smart Grids erkennen, aktiv mitgestalten und nutzen?

Damit Bürger und Unternehmen als Kunden, Erzeuger, Speicheranbieter und Verbraucher sich systemdienlich verhalten, müssen sie erkennen: das macht ihr Leben einfacher oder schöner (das definiert natürlich jeder für sich; schön kann sein, endlich die eigene Residuallastkurve zu erkennen, oder für alle sichtbar Strom aus dem eigenen Balkonkraftwerk zu tanken), oder es verschafft einen finanziellen Vorteil. Wenn darüber hinaus ein Beitrag für die Gemeinschaft entsteht, motiviert dies zusätzlich. Darauf sollten wir auch unsere Regulatorik ausrichten!

 

5. Wenn Sie fünf Jahre in die Zukunft blicken – welche Entwicklungen wünschen Sie sich für die Energiewirtschaft und Smart Grids in Baden-Württemberg?

Ein Energiesystem der Zukunft integriert möglichst viele dezentrale Erzeuger und Speicher, und ergänzt diese um systemrelevante, nötige zentrale Anlagen. Es ist dafür möglichst stark versetzt, mit Sensorik und Analytik ausgestattet, um über die Ebenen hinweg Optimierungsmöglichkeiten in Erzeugung und Verbrauch auszugleichen. Es gibt allen Akteuren – ob verbrauchenden Kunden, Einspeisern oder Netzbetreibern in diesem Sinne die richtigen Signale.

 

6. Zum Abschluss: Auf welche besonderen Kompetenzen und Stärken der Hochschule Reutlingen möchten Sie di Mitgliedsunternehmen der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg hinweisen?

Wir bieten in vielen unserer Studiengänge  kompetente, mit Theorie und Praxis ausgestattete Absolventen, die von unserer hervorragenden Betreuung Industrie-erfahrender und forschungsstarker Professorinnen und Professoren profitieren. Ganz vorn steht da natürlich unser Master-Studiengang  „Dezentrale Energiesysteme und Energieeffizienz“ (Master-Studium – Dezentrale Energiesysteme und Energieeffizienz – Wirtschaftsingenieurwesen | Technik). Aber auch in zahlreichen Studiengängen der ESB Business School | ESB und  im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen sustainable Production and Business (SPB) | NXT an unserer neuen Fakultät NXT finden Sie Absolventinnen und Absolventen, die einschlägiges Wissen und interdisziplinäre Kompetenzen für die Energiewirtschaft mitbringen. Und schließlich: Der Hochschulbewerter StudyCheck hat uns kürzlich zur beliebtesten Hochschule in Baden-Württemberg ernannt und auf Platz zwei der Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWs) in Deutschland gewählt. Die ESB Business School erreicht seit Jahrzehnten einen Spitzenplatz im Bereich BWL und Platz eins in Baden-Württemberg.

 

 

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