Sektorenkopplung auf allen Ebenen voranbringen

Für die effiziente Dekarbonisierung führt an der Sektorenkopplung kein Weg vorbei. Smart Grids sind hierbei ein integratives Element.

1. Sektorenkopplung durch Smart Grids

Für die effiziente Dekarbonisierung führt an der Sektorenkopplung kein Weg vorbei. Smart Grids sind hierbei ein integratives Element. Ihre „Intelligenz“ basiert primär auf der Ausstattung der Netze mit Sensorik zur Datengewinnung, der Informationsverarbeitung sowie der Aktorik, welche ein Handeln (z. B. die Schaltung von Transformatoren oder Verbrauchseinrichtungen) auf Basis der verarbeiteten Daten erlaubt. Sie verknüpfen sowohl die verschiedenen Bereiche der Energieerzeugung, -nutzung und –speicherung als auch die verschiedenen Energieträger und -nutzungsarten wie Strom, H2, (Bio-)Gas, Wärme und Verkehr. Sie ermöglichen es auf Basis der erfassten Daten, die regenerativ erzeugte Energie durch differenziertere Steuerungsmöglichkeiten effizienter in den Bereichen Elektrizität, Wärme und Verkehr einzusetzen. Die Anforderungen an die Netze sind hierbei hoch: Insbesondere im Bereich der E-Mobilität zeichnet sich ein sehr starker Hochlauf ab, der einen Ausbau der Ladeinfrastruktur insbesondere in den Verteilnetzen in der Niederspannung fordert. Im Wärmesektor verlagert sich die bisher vornehmlich dezentrale fossile Verbrennung hin zur Nutzung von Wärmepumpen in der Hauswärme, die ebenso in der Niederspannung angeschlossen werden. Die benötigten Energiemengen und der Bedarf an punktuell zur Verfügung stehender Leistung in den Stromnetzen können dadurch stark ansteigen. Im Industriewärme- und Nutzfahrzeugbereich erfolgt eine Umstellung von Erdgas auf Biogas und Wasserstoff (H2). Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen können als Netzflexibilitäten eingesetzt werden. Um die Synergien der kombinierten Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom, Biogas und H2 zu heben, ist eine konsequente Umsetzung von Smart Grids mittels intelligenter Erfassungs- und Steuerungselemente notwendig.

2. Sektorenkopplung mit dem Verkehrswesen: E-Mobilität und Ladeinfrastruktur

Im „Automobilland“ Baden-Württemberg stellt die Automobilindustrie einen der größten Industriezweige dar. Das baden-württembergische Automobilcluster ist gleichzeitig jenes mit der größten Beschäftigtenzahl der Branche in ganz Deutschland. Neben der großen Bedeutung für die Wirtschaft Baden-Württembergs ist auch der Energieverbrauch des Sektors sehr hoch: Mit 26,9% verursacht der Verkehrssektor anteilig die höchsten Emissionen im Land. Die „Verkehrswende“ hat dabei mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen: Einerseits in Bezug auf die Antriebsart der Fahrzeuge – weg von Verbrennungsmotoren und hin zu elektrischen Antrieben – andererseits in Bezug auf das Umdenken der Kundinnen und Kunden, die in Zukunft die elektrischen Fahrzeuge kaufen und nutzen werden. Hier gilt es, sowohl die Ladeinfrastrukturen bereitzustellen als auch das Bewusstsein für diese neue Mobilität zu stärken.

Smart-Grid-Konzept isometrisches 3D-Rendering Nachhaltiger Energiepark mit Windkraftanlagen, Sonnenkollektoren und Wasserstoffspeichern Eco Green City mit Wolkenkratzern und Elektroautos an der Ladestation

Mit der Dekarbonisierung des Verkehrssektors ergeben sich durch die Elektrifizierung neue Herausforderungen für die Energienetze und damit einhergehend auch neue Potenziale. Ladepunkte für Elektrofahrzeuge werden zum größten Teil unmittelbar in den Verteilnetzen installiert und bewirken hier eine deutliche Vergrößerung des Bedarfs an punktuell zur Verfügung stehender Leistung. Um hierbei Engpässe zu vermeiden, ist eine vergrößerte Netztransparenz sowohl netzseitig als auch netzanschlusspunktseitig nötig. Nicht zuletzt in Kombination mit dem jetzt schon sichtbaren Hochlauf an Wärmepumpen zur dezentralen Hauswärmeerzeugung stehen oftmals notwendige, kostspielige Ausbaumaßnahmen im Raum.

Um diesen zu begegnen, ermöglichen intelligent geführte Energienetze bereits durch geringe Lastverschiebungen eine Kappung der Lastspitzen („Peak Shaving“) und verringern damit die Ausbaunotwendigkeiten deutlich. Die Lastflexibilisierung durch Drosselung von Ladegeschwindigkeiten von E-Fahrzeugen ist bereits ein wirksames Mittel, um Netzengpässe zu verhindern – Voraussetzung für dieses Demand Side Management (DSM) ist jedoch die intelligente Ertüchtigung der Energienetze. Das bidirektionale Laden von E-Fahrzeugen erschließt weitere Einspeiseflexibilitäten (z. B. „Vehicle-To-Grid“ (V2G)), welche system- oder netzdienlich eingesetzt werden können. Dies ermöglicht die Hebung großer wirtschaftlicher Flexibilitätspotenziale durch die perspektivisch sehr große Anzahl an verfügbaren Traktionsbatterien in den Elektrofahrzeugen. Sowohl leistungsgesteuertes unidirektionales wie auch bidirektionales Laden wurden z. B. im Forschungsprojekt Park4Flex untersucht. Nicht zuletzt die Frage nach der Akzeptanz der Kundinnen und Kunden bei der netzdienlichen Nutzung der Traktionsbatterien gilt es für die rasche Umsetzung der E-Mobilität zu klären.

 

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3. Sektorenkopplung vor Ort: Quartiersentwicklung und kommunale Planung

Sektorenkopplung findet sowohl auf systemischer Ebene als auch lokal in einzelnen Gebäuden / Liegenschaften bis hin zu ganzen Quartieren statt. In Smarten Quartieren verbessern digitale Technologien die Versorgung mit wichtigen Gütern wie Mobilität, Energie, Wohnraum, Sicherheit und Gesundheit. Die intelligente Verknüpfung und Auswertung von Sensordaten helfen im Energiebereich vorhandene Kapazitäten der Infrastruktur effizienter zu nutzen. Dank der intelligenten Steuerung und Sektorenkopplung wird der Strom- und Wärmeverbrauch auf die Bedürfnisse der Nutzenden und des Energiesystems abgestimmt und gleichzeitig Energie gespart.

Smarte Quartiere bringen die Energiewende in die Fläche und leisten einen essenziellen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele im Rahmen einer langfristig wirksamen Dekarbonisierungsstrategie. Die Mechanismen zur Sektorenkopplung, die im Rahmen smarter Quartiersentwicklung integrierbar sind, ermöglichen eine emissionsarme Gestaltung. Gleichzeitig erfüllen sie einen wichtigen kommunikativen Auftrag, da sie als „greifbare“ Quartiere in der wahrnehmbaren Welt der Bürgerinnen und Bürger die intelligente Vernetzung der verschiedenen Energieformen sichtbar machen und damit für die Zusammenhänge der Energiewende sensibilisieren. Smarte Quartiere leisten hierfür einen elementaren Beitrag, da in diesen die Bereiche Strom, Gas, Wärme und Mobilität mit minimierten Reibungsverlusten miteinander verknüpft werden können.

Das Ziel, die intelligente Planung von Energienetzen bereits bei Neuplanung oder Nachverdichtung in die Gestaltung von Liegenschaften und Quartieren zu integrieren, erfordert die vertiefte Zusammenarbeit aller Akteure, so z. B. der Landesinstitutionen und jener der öffentlichen Hand (LUBW, KEA BW, rEA BW) sowie der vom Land geförderten Institutionen (PEE, Solar Cluster BW), e-Mobil BW, Handwerk und der Bauwirtschaft.

 

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4. Sektorenkopplung auf der Systemebene

Die Nutzung der verschiedenen Energieträger und Energienutzungsarten („Sektoren“) systematisch zu verzahnen ist zentral, um die Energienutzung mit größtmöglicher Effizienz zu gewährleisten. Über die lokale Ebene hinaus muss die Verzahnung ebenso auf überkommunaler und überregionaler Ebene (der sogenannten Systemebene) vorangetrieben werden. Auf dieser Ebene finden sich Übertragungs- und Fernleitungsnetze sowie Anlagen und Technologien, die eine Relevanz für ganz Baden-Württemberg aufweisen. So müssen auf Systemebene die überregionalen Strom- und Gas- (perspektivisch Wasserstoff-)Netze gekoppelt werden, um die lokalen Erzeugungs-, Speicherungs- und Verbrauchsunterschiede auszutarieren. Dies schließt auch elektrifizierten Verkehr und H2-basierten (Last-)Verkehr mit ein. Auf Systemebene können Traktionsbatterien aus Elektroautos gut mit statistischen Modellen abgebildet und durch bidirektionales Laden als systemdienliche Speicher genutzt werden. Die Sektorenkopplung auf Systemebene bietet einen Effizienzgewinn durch den überregionalen Ausgleich von Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung.

 

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