Rückblick: Smart Grids-Gespräche – „Sektorenkopplung smart denken“ am 23. Oktober 2025

Wie muss das Energiesystem integrativ gestaltet werden, um eine schnelle und effiziente Dekarbonisierung zu erreichen? Darüber sprachen wir bei unseren Smart Grids-Gesprächen am Fraunhofer IAO in Stuttgart-Vaihingen.

Veröffentlicht: 30. Oktober 2025 | Kategorie: Allgemein, Blog

Nachbericht

Smart Grids-Gespräche am 23. Oktober 2025:

„Sektorenkopplung smart denken. Von der Systemebene bis zur lokalen Umsetzung.“

 

SmartGridsBW Vortrag während der SmartGridsBW-Gespräche 2025: Ein Referent stellt Kennzahlen zur SmartGridsBW-Webseite vor, während Teilnehmende aufmerksam zuhören.

Die Energiewende verlangt ein Denken über einzelne Sektoren hinaus. Erst das intelligente Zusammenspiel der Energieträger und die intelligente Kopplung der Energienetze steigern die Effizienz des Einsatzes. Neben dem Strom spielt die molekülbasierte Energieübertragung eine wesentliche Rolle. Bei unseren Smart Grids-Gesprächen am 23. Oktober 2025 diskutierten wir die Netze für diese Energieträger und die Facetten integrierter Systemgestaltung. Von der strategischen Netzplanung und dem Aufbau des Wasserstoffkernnetzes über die Rolle von Wasserstoff bei der Transformation bis hin zu Herausforderungen bei der Gestaltung von Wärmenetzen.

SmartGridsBW organisierte in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IAO die Vor-Ort-Veranstaltung im neuen, futuristischen Gebäude T des Fraunhofer-Campus. Bei der Nachmittagsveranstaltung beleuchteten hochkarätige Referenten die verschiedenen Aspekte der Sektorenkopplung und der komplexen Interaktion molekül- und elektrizitätsbasierter Energieübertragung. Moderiert wurde die Veranstaltung von Christian Schneider (SmartGridsBW).

Vorträge

SmartGridsBW Vortrag während der SmartGridsBW-Gespräche 2025: Ein Referent stellt Kennzahlen zur SmartGridsBW-Webseite vor, während Teilnehmende aufmerksam zuhören.

Steffen Kirsch: Das Wasserstoffkernnetz – die Kernnetzaktivitäten der terranets bw

Steffen Kirsch (Unternehmensentwicklung und Energiepolitik; terranets bw) eröffnete die Vortragsreihe. Er präsentierte die praktische Umsetzung des Wasserstoffkernnetzes aus der Perspektive des Fernleitungsnetzbetreibers. Bislang beitreibt terranets bw rund 3.000 km Gasleitungsnetz und wurde nun mit dem Bau des Wasserstoff-Kernnetzes in Baden-Württemberg beauftragt. Diese grundlegende H2-Infrastruktur soll bis 2032 aufgebaut werden und basiert auf Marktabfragen sowie EnWG-Kriterien zur Anbindung von Großverbrauchern, Industrie und Kraftwerken. In Baden-Württemberg plant terranets bw rund 400 km Wasserstoffleitungen, die zu 70% durch Umstellung bestehender Leitungen und zu 30% durch Neubau realisiert werden sollen. So etwa auch die Umnutzung einer zentralen Versorgungsader: Der Süddeutschen Erdgasleitung (SEL) von Mannheim über Heilbronn und Stuttgart bis Bayern, die schrittweise für Wasserstoff umgerüstet wird. Als Herausforderungen benannte Kirsch u.a. die Verfügbarkeit von Wasserstoff, einen kapitalmarktfähigen Finanzierungsrahmen und die bislang volatile regulatorische Unterstützung für den Übergang von Erdgas zu Wasserstoff. Das aktuelle Finanzierungsmodell mit vergleichsweise niedriger Eigenkapitalverzinsung bei hohem anteiligen Selbstbehalt erschwere die Anreizung von nötigen Kapitalinvestitionen.

Deutlich positionierte sich Kirsch dazu, die Herausforderungen schnell anzugehen, auch wenn noch nicht alle Details geklärt sind: Erwartungssicherheit muss für die Akteure und potenzielle Investoren bestehen, um jetzt Umsetzungsentscheidungen treffen zu können. Es gelte die Energiewende jetzt ins Laufen zu bringen – gerade bei den Wasserstoffnetzen, bei welchen viel Bauleistung erbracht werden muss.

SmartGridsBW Vortrag während der SmartGridsBW-Gespräche 2025: Ein Referent stellt Kennzahlen zur SmartGridsBW-Webseite vor, während Teilnehmende aufmerksam zuhören.

Prof. Dr. Christof Wittwer: Die Rolle des Wasserstoffs für die Transformation des Energiesystems in Baden-Württemberg

Prof. Dr. Christof Wittwer (Geschäftsfeldleiter Systemintegration; Fraunhofer ISE; Honorarprofessor Uni Freiburg), richtete in seinem Vortrag den Fokus auf die Integration der verschiedenen Energieträger im Gesamtsystem.

In seinem Vortrag betonte er, dass die Energiewende nur durch umfassende Systemintegration über alle Sektoren hinweg schnell und mit größtmöglicher Effizienz gelingen kann. Strom-, Wärme-, Wasserstoffversorgung und Mobilitätssysteme müssen technisch und wirtschaftlich gekoppelt werden, um flexible Erzeuger, Speicher und Verbraucher optimal zu koordinieren und mit der größtmöglichen Effizienz zu betreiben.

Die Transformation des Energiesystems verläuft in vier Phasen: Nach der Einführung von Wind- und Solartechnologien folge die Systemintegrationsphase mit sektorübergreifendem Flexibilitätsmanagement, dann die Nutzung von Überschussstrom für Elektrolyse und schließlich die vollständige Defossilisierung durch wasserstoffbasierte Energieträger. In Baden-Württemberg führe der starke Photovoltaik-Zubau bereits ab 2025 zu Erzeugungsspitzen, die flexible Speicherlösungen und den abgestimmten Einsatz von Kohle-, Gas- und später Wasserstoffkraftwerken erforderten.

Wittwer stellte auch das Projekt H2Global vor, das in 39 Regionen weltweit techno-ökonomische Potenziale für grüne Wasserstoffprodukte wie Ammoniak, Methanol und Jet Fuels zum Aufbau internationaler Lieferketten untersucht, solange eine heimische Versorgung nicht möglich ist. In der finalen Phase werde Wasserstoff zum unverzichtbaren Bestandteil für Industrie, Schwerlastverkehr und Kraft-Wärme-Kopplung, wobei Smart Grids und die konsequente Sektorenkopplung die Grundlage für eine sichere und klimaneutrale Energieversorgung bilden.

SmartGridsBW Vortrag während der SmartGridsBW-Gespräche 2025: Ein Referent stellt Kennzahlen zur SmartGridsBW-Webseite vor, während Teilnehmende aufmerksam zuhören.

Gerold Kohler: Kommunale Umsetzung der Wärmewende – die Herausforderungen

Gerold Kohler (Abteilungsleiter Strategie und Entwicklung Wärme; Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim), rundete die Vortragsreihe mit einem Praxisbericht zu Wärmenetzen ab.

Herr Kohler stellte zunächst die Ausgangslage dar: Die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim (SWLB) betreiben aktuell ein Fernwärmenetz mit 72 km Trassenlänge. Die kommunalen Wärmeplanungen der Gesellschafterstädte Ludwigsburg und Kornwestheim geben als Ziel vor, bis 2035/2040 eine klimaneutrale Wärmeversorgung mit einem Fernwärmeanteil von ca. 70% zu erreichen – ein extrem ambitioniertes Ziel. Der dafür notwendige Ausbau erfordert gewaltige Anstrengungen.

Herr Kohler stellt die damit verbundenen Herausforderungen dar: Neben den großen Finanzierungsbedarfen stellen auch permanente Baustellen über große Zeiträume, die damit einhergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen und mangelnde Dienstleisterkapazitäten große Herausforderungen dar. Die zunehmende Vermaschung des Netzes und die komplexere Erzeugungsstruktur mit vielfältigen Energieträgern erforderten innovative Lösungen für Wirtschaftlichkeit und Funktionalität. Auch im Bereich der Wärmenetze hält die Digitalisierung der Netze und den damit verbundenen Monitoring– und Simulationsmöglichkeiten (z .B. mittels digitalem Zwilling) Einzug.

Paneldiskussion & Fazit

SmartGridsBW Podiumsdiskussion bei den SmartGridsBW-Gesprächen 2025: Vier Experten diskutieren das Thema „Sektorenkopplung smart denken“ vor Publikum.

Die Experten diskutierten, wie die verschiedenen Ebenen der Sektorenkopplung – von der überregionalen Wasserstoffinfrastruktur über die regionale Netzplanung bis zur lokalen Wärmewende umgesetzt und wie Energienetze sinnvoll miteinander verzahnt werden müssen.

Auch das Publikum beteiligte sich mit zahlreichen Fragen und Diskussionsbeiträgen. Die Fragen der Finanzierung und die regulatorischen Rahmenbedingungen wurden intensiv diskutiert. Einigkeit herrschte unter Referenten und Publikum besonders in einer Hinsicht: Erwartungssicherheit durch klare politische Signale, und daraus abgeleitet ein klar definierter, stabiler Rechtsrahmen ist erforderlich, um Projekte im Bereich der Netze anzustoßen. Ebenso reizen erst stabile Rahmenbedingungen weitere Investitionen an. So etwa die Umstellung von Verbrauchsanlagen, aber auch private Kapitelinvestitionen in die Infrastruktur selbst.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit Networking-Event mit Imbiss, das Gelegenheiten zur Vernetzung sowie zur ausführlichen Diskussion des Gehörten bot.

SmartGridsBW Podiumsdiskussion bei den SmartGridsBW-Gesprächen 2025: Vier Experten diskutieren das Thema „Sektorenkopplung smart denken“ vor Publikum.

Wir danken allen Referenten für die fundierten und praxisnahen Vorträge, die ein umfassendes Bild der Herausforderungen für ein sektorgekoppeltes Energiesystem vermittelten – von der landesweiten Wasserstoffinfrastruktur bis hin zur kommunalen Wärmewende.

Vielen Dank auch an alle Teilnehmenden vor Ort für das große Interesse am Thema und die vielen konstruktiven Diskussionsbeiträge. Ein besonderer Dank gilt dem Fraunhofer IAO für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die hervorragende Unterstützung bei der Organisation.

Die freigegebenen Präsentationsfolien können direkt bei uns unter info@smartgrids-bw.net angefragt werden.

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