Rückblick: Smart Grids-Gespräche – „Künstliche Intelligenz im Netzbetrieb“ am 26.11.2024
Wie verändert Künstliche Intelligenz den Netzbetrieb? Was wird bereits umgesetzt Darüber sprachen wir bei unseren SG-Gesprächen in Kooperation mit der HTWG Konstanz.
Nachbericht
Smart Grids-Gespräche am 26. November 2024: Künstliche Intelligenz im Netzbetrieb
Sehen Sie sich hier die gesamte Veranstaltung als Video an.
Die Vortragsfolien finden Sie hier zum Download.
Wie verändert Künstliche Intelligenz (KI) den Netzbetrieb? Was wird bereits umgesetzt? Und wo liegen die Herausforderungen – auch im Bereich der Cyber-Security? Darüber sprachen wir am 26.11.2024 mit Fachreferentinnen und -referenten bei unseren Smart Grids-Gesprächen in Konstanz, die wir in Kooperation mit unserem Mitglied Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG Konstanz) organisierten. Eine Teilnahme war vor Ort und per Livestream möglich.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Arno Ritzenthaler (Geschäftsführer der Smart Grids Plattform Baden-Württemberg). In seiner Begrüßung betonte er die Bedeutung der Smart Grids Gespräche für den Austausch innerhalb der Fachcommunity. Das Thema des Tages, der Einsatz von KI im Netzbetrieb, sei besonders relevant, da die zunehmende Komplexität des Energiesystems nach innovativen Lösungen verlange.
In der anschließenden politischen Keynote hob Katrin Heer (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg) die Bedeutung von KI für eine nachhaltige Energiewirtschaft hervor. Heer betonte, dass es noch viele offene Fragen gebe, wie etwa zur konkreten Anwendung von KI, zu Sicherheitsvorkehrungen und zur Integration von KI in bestehende Netzstrukturen. Diese Fragen müssten im Dialog zwischen Politik, Forschung und Praxis beantwortet werden.
Prof. Gunnar Schuber (HTWG Konstanz) gab anschließend einen umfassenden Überblick über die Anwendung von KI im Netzbetrieb. Er verglich die aktuellen Entwicklungen im Stromnetz mit der Elektrifizierung um 1900, da das Netz erneut eine grundlegende Transformation durchlaufe. Durch die Verknüpfung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit („Digitainability“) solle das Netz stabiler, effizienter und resilienter gestaltet werden. Schubert erläuterte, dass insbesondere KI in den Mittel- und Niederspannungsnetzen eine zentrale Rolle spiele, um komplexe Echtzeitprobleme zu bewältigen. Er wies jedoch auch auf bestehende Herausforderungen hin, wie die Cybersicherheit und die Vertrauenswürdigkeit von KI-Systemen.
Im anschließenden Vortrag präsentierte Manuela Linke (HTWG Konstanz) die Ergebnisse des Forschungsprojekts AI4Grid, das den Einsatz von KI zur Betriebsführung und Planung von Verteilnetzen untersucht. Sie erklärte, dass die Elektrifizierung des Verbrauchssektors zu einer erheblichen Steigerung der Netzlast führen werde und dass KI-Algorithmen helfen könnten, diese Last effizient zu steuern. Besonders hervorgehoben wurden Convolutional Neural Networks (CNNs) zur Erkennung von Nachbarschaftsbeziehungen und Graph Neural Networks (GNNs), die eine flexible Anwendung auch bei sich ändernden Netzstrukturen ermöglichen. Linke betonte, dass probabilistische Prognosen notwendig seien, um Unsicherheiten besser abzubilden und eine stabile Netzführung zu gewährleisten. Diese Prognosen könnten helfen, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und damit die Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit der Netze zu steigern. Das Projekt habe gezeigt, dass der Einsatz von KI-Technologien nicht nur reaktive, sondern auch vorausschauende Planungen ermögliche, wodurch Engpässe im Vorfeld minimiert werden könnten.
Karen auf der Horst von der Netze BW stellte verschiedene Anwendungsfälle für KI im Netzbetrieb vor. Sie erklärte, dass KI genutzt werde, um Aufgaben zu automatisieren, das Netz transparenter zu machen und die Arbeit der Mitarbeitenden zu erleichtern. Ein zentrales Ziel sei es, durch den Einsatz von KI die Effizienz im Netzbetrieb zu steigern und gleichzeitig eine höhere Zuverlässigkeit der Netzversorgung sicherzustellen. Besondere Erwähnung fand die App „NeLe“, ein digitales Nachschlagewerk für Monteure, das auf dem GPT-Modell von OpenAI basiert. Diese App ermöglicht es Monteuren, schnell auf technische Informationen zuzugreifen, wodurch insbesondere neue Mitarbeitende schneller einsatzfähig werden. In Situationen, in denen schnelles Handeln erforderlich ist, etwa bei Störungen im Netzbetrieb, sei der direkte Zugriff auf relevante Informationen entscheidend. Neben „NeLee“ nutze die Netze BW auch weitere KI-basierte Tools in der Planung und Instandhaltung von Netzinfrastrukturen. Ein Beispiel ist die vorausschauende Wartung, bei der KI-Systeme Anomalien in den Betriebsdaten der Netzkomponenten erkennen und frühzeitig auf potenzielle Fehler hinweisen. Zudem werde KI zur Analyse großer Datenmengen eingesetzt, um Muster zu identifizieren, die auf eine ineffiziente Netzlastverteilung hinweisen. Durch gezielte Maßnahmen könne die Netzkapazität optimiert werden, was letztlich auch die Kundenzufriedenheit steigere.
Impressionen der Veranstaltung
Dr. Jann Binder vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erläuterte den kombinierten Einsatz von Statistik und KI zur Netzlastprognose. Er hob hervor, dass nicht immer komplexe KI-Modelle notwendig seien – auch einfache statistische Methoden könnten bereits erhebliche Verbesserungen im Energieeinkauf und Netzbetrieb erzielen. Diese statistischen Methoden bieten eine schnelle und ressourcenschonende Möglichkeit, erste Prognosen zu erstellen, die dann durch komplexere KI-Modelle verfeinert werden können. Der kombinierte Einsatz von Statistik und probabilistischen Vorhersagen ermögliche eine realistischere Einschätzung der Netzlast, insbesondere in Zeiten hoher Unsicherheit, wie etwa bei extremen Wetterbedingungen oder starken Schwankungen der Energieerzeugung durch erneuerbare Quellen. Binder betonte, dass diese Kombination aus statistischen und KI-gestützten Methoden die Netzstabilität und Kosteneffizienz deutlich verbessern könne.
Dr. Birgit Haller von OLI Systems stellte das Projekt „GrECCo“ vor, das die Aktivierung von Haushaltsflexibilität mittels Machine Learning zur Unterstützung resilienter Verteilnetze erforscht. In einem Feldtest im Freiburger Stadtteil Opfingen wird untersucht, wie dezentrale Verbraucher wie Wärmepumpen, Batteriespeicher und Elektrofahrzeuge zur Netzstabilität beitragen können. Die Teilnehmenden senden ihre Verbrauchsprognosen an eine zentrale Instanz, die bei Bedarf Anpassungen zur Vermeidung von Netzengpässen vorschlägt. Diese zentrale Instanz fungiert als Koordinator, der die Flexibilitätspotenziale der Haushalte bewertet und optimale Anpassungen berechnet, um das Netz stabil zu halten. Die Herausforderung besteht darin, die Flexibilität der Haushalte effizient zu nutzen, ohne deren Komfort einzuschränken. Hierzu wird erforscht, wie Anreize für die Haushalte geschaffen werden können, ihre Flexibilität in der Energieverwendung zur Verfügung zu stellen – beispielsweise durch dynamische Tarife oder Boni für die Teilnahme am Programm. Technisch gesehen wird untersucht, wie KI-Algorithmen die Vorhersagegenauigkeit der Verbrauchsmuster verbessern können, um den Energiefluss im Verteilnetz besser zu steuern. Insgesamt soll das Projekt zeigen, wie durch intelligente Koordination und gezielte Anreize die Flexibilität der Haushalte effektiv genutzt werden kann, um die Netzstabilität zu erhöhen und den Übergang zu einer nachhaltigeren Energieversorgung zu unterstützen.
Die Smart Grids Gespräche Konstanz 2024 zeigten eindrucksvoll, wie Künstliche Intelligenz zur Bewältigung der Herausforderungen der Energiewende eingesetzt werden kann. Von der Betriebsführung von Verteilnetzen über die Flexibilisierung von Haushalten bis hin zur Cybersicherheit – Künstliche Intelligenz bietet vielfältige Chancen, erfordert jedoch auch einen verantwortungsvollen und sicheren Umgang. Die Veranstaltung verdeutlichte, dass der Erfolg dieser Technologien maßgeblich von der Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft abhängt.
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