Rückblick: Smart Grids-Gespräche – „Smart Meter, dynamische Tarife, Flexibilität“ am 09.07.2024

Wie können die aktuellen Fortschritte bei der Flexibilisierung des Stromverbrauchs die Grundlage für neue Geschäftmodelle werden? Darüber sprachen wir bei unseren SG-Gesprächen in Kooperation mit dem SET Hub der dena.

Veröffentlicht: 26. Juli 2024 | Kategorie: Allgemein, Blog, Schwerpunkt_SmartGrids, SmartGrids-Gespräche

Nachbericht

Smart Grids-Gespräche am 07. Juli 2024: Smart Meter, dynamische Tarife, Flexibilität – wie entstehen daraus neue Geschäftsmodelle?

 

Sehen Sie sich hier die gesamte Veranstaltung als Video an.

Der Rollout intelligenter Messsysteme (Smart Meter), dynamische Strompreise ab dem 01.01.2025 und bereits entwickelte Mechanismen zur netzorientierten oder marktdienlichen Anlagensteuerung und Flexibilisierung – derzeit passiert viel im Themenfeld „Intelligente Energienetze“. Doch welche zukunftsweisenden Geschäftsmodelle ergeben sich aus diesen Entwicklungen? Darüber haben wir bei unseren Smart Grids-Gesprächen am 09. Juli 2024 mit Fachreferentinnen und -referenten gesprochen.

Im SET Pilot zur „Entwicklung einer Anwendung zur Bereitstellung von Flexibilität unter Einbezug des Smart Meter Gateways“ des SET Hub der Deutschen Energie-Agentur (dena) wurden die Potenziale der neuen Geschäftsmodelle untersucht. Die Ergebnisse des Pilotprojekts und damit die neusten Entwicklungen und Trends für die Nutzung von Flexibilität bei Anlagen (z. B. Wallboxen) von Endverbraucherinnen und -verbrauchern wurden im Rahmen dieses Smart Grids-Gesprächs präsentiert.

Die Veranstaltung wurde von SmartGridsBW gemeinsam mit dem SET Hub der Deutschen Energie-Agentur (dena) organisiert und fand als hybrides Format vor Ort im IHK Haus der Wirtschaft in Karlsruhe und per Livestream statt.

Nach einer Begrüßung des Moderationsteams bestehend aus Dr. Friedericke Wenderoth (dena) und Christian Schneider (SmartGridsBW) führte Dr. Manuel Lösch (InnoCharge GmbH) zunächst in die Thematik ein. Ziel des Projekts war es, die heute bereits verfügbaren Anreize für Flexibilität mit dem Flexibilitätsangebot der Liegenschaft zusammenzubringen – unter Nutzung des Smart Meter Gateways. Dafür wurde im Pilotprojekt an einer 360°-Multi-Use-Optimierung für attraktive Strompreise gearbeitet. Es wurden nur bereits heute verfügbare Möglichkeiten ausgeschöpft und alles in der Praxis erprobt. Um was technisch möglich ist, auch für Kundinnen und Kunden verfügbar zu machen, wurden anschlussfähige Geschäftsmodelle entwickelt.

Per Livestream zugeschaltet begrüßte anschließend Dr. Christoph Scholten (Referatsleiter Referat IIIC8, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)) die Teilnehmenden. So sei der Smart Meter Rollout die notwendige und unverzichtbare Grundlage für die Digitalisierung der Energiewende und bilde die sichere und interoperable Kommunikationsplattform unseres Energiesystems. Weiterhin ermögliche er die Nutzung dynamischer Stromtarife. Diese wachsen zunehmend in den Markt hinein und sind ab 2025 von Stromanbietern verpflichtend anzubieten. Aus den sich daraus ergebenden Geschäftsmodellen sowie der Innovationskraft von Start-ups ergeben sich wichtige Synergien für die Energiewende.

Dr. Andreas Fischer (CTO der Innocharge GmbH) präsentierte in seinem Vortrag, wie Letztverbraucher wie z. B. Firmenflotten durch Geschäftsmodelle auf Basis intelligenter Messsysteme (Smart Meter) auf verschiedene Arten beim Laden von E-Fahrzeugen profitieren können. Anhand einer Live-Demo des InnoCharge-Systems im Ladepark des Projektareals „Smart East“ wurde gezeigt, wie günstiger Photovoltaik-Strom lokal genutzt werden kann, um so durch die Dynamisierung des Strompreises Ladekosten und Kosten für den Netzbetrieb zu senken. Die Möglichkeiten des lokal wirtschaftlich optimierten Ladens (z. B. unter der Nutzung von Peak Shaving zur Vermeidung teurer Lastspitzen, Ladezeitverlagerungen oder Streckung der Ladezeitintervalle) wurden durch eine Reihe von Möglichkeiten zu netz- und systemdienlichen Ladung ersetzt. Diese bieten weitere Möglichkeiten zur Monetarisierung, z. B. durch die Erbringung von Regelleistungsprodukten für die Übertragungsnetze, Peak Shaving, um teure Ladespitzen zu vermeiden, und auch durch intelligente Steuerung zur Vermeidung von lokalen Netzengpässen.

Anschließend sprach Nikolaus Starzacher (Chief Technology Officer der Countrol GmbH) über den Messstellenbetrieb der Zukunft sowie seine Aufgaben und Möglichkeiten. So sei es mit Smart Metern möglich, mittels Preissignalen („dynamischen Tarifen“) Anreize zu schaffen, Flexibilitäten sinnvoll einzusetzen. Erneuerbare Energie könne dann effizienter genutzt, der Verbrauch durch erhöhte Transparenz eingeschränkt und Netzausbau verzögert und teilweise vermieden werden. Dennoch werde das vorhandene Potenzial bisher nicht voll ausgeschöpft. Dabei bietet die Nutzung von Smart Metern Mehrwerte. Bei Photovoltaik und Speichern ermöglichen sie unter anderem eine schnelle Inbetriebnahme, Transparenz und die Nutzung dynamischer Tarife. Auch im Themenkomplex Mieterstrom sowie Elektromobilität bringen Smart Meter entscheidende Vorteile. Beim Laden von Elektroautos ermöglichen sie eine ladescharfe Abrechnung und befähigen außerdem zum bidirektionalen Laden.

Nach einer kurzen Kaffeepause stellte Verena Schmiederer (Leiterin Vertrieb & Projektmanagement bei der Badischen Energie) in ihrem Vortrag ein innovatives Geschäftsmodell für Ladestrom im Quartier vor. Dies beinhaltet die Nutzung der lokalen Erzeugung im Sinne der Sektorenkopplung (Strom und Verkehr) und eine wirtschaftliche Optimierung durch die Nutzung von Flexibilisierungsmöglichkeiten, um den Kunden attraktive Preise bieten zu können. Aus den Möglichkeiten intelligenter Netze gilt es hierbei Mehrwerte zu generieren, so etwa die Messdaten an verschiedenen Stellen des Energiesystems zu nutzen, um darauf basierend Flexibilitäten zu heben und damit den Kundinnen Preisvorteile im Vergleich zu anderen Lieferanten zu bieten. Kern des Geschäftsmodells ist die Ladeoptimierung durch Lastverschiebung, die durch Mechanismen wie Peak Shaving eine signifikante Reduzierung der Netzentgelte erreichen kann. Für die Verbraucher und Nutzer der Fahrzeuge ist hierbei auch der Komfort ein relevanter Faktor; die Lösung aus einer Hand von der Installation, über wirtschaftlich optimierten Betrieb und Wartung ist eine attraktive Möglichkeit, die Mehrwerte intelligenter Energienetze an die Endkundinnen und -kunden weiterzugeben.

Kay Wiedemann, bei der TransnetBW GmbH seit 2021 als Teamleiter für Marktentwicklung tätig, beleuchtete in seinem Vortrag die „Entwicklungen am Regelreservemarkt: Aktuelle und zukünftige Herausforderungen“. Herr Wiedemann beschrieb sowohl die Struktur der Regelreserven heute sowie welche Änderungen und resultierend Herausforderungen sich für die ÜNB in den nächsten Jahren ergeben. Eine detaillierte Analyse der verschiedenen Regelleistungsprodukte, ihrer Zusammensetzung und der zugehörigen Marktprozesse und -mechanismen zeigte auf, wie die jüngsten Entwicklungen die Bedarfe und Zusammensetzung der Regelreserve beeinflussen. Die bislang vornehmlich konventionellen Reservekraftwerke werden zunehmend durch erneuerbare Energien, Speicher und flexible Lasten gebildet. Mit den steigenden Anteilen erneuerbarer Energien und dem resultierenden Prognosefehler steigt ebenso der Bedarf an Regelkapazitäten, nicht zuletzt gilt es die extrem hohe Systemsicherheit zu annehmbaren Preisen zu gewährleisten. Die Einbindung aggregierter kleiner Flexibilitäten (z. B. Fahrzeugbatterien) durch Präqualifizierung und anschließender Einbindung in die Regelleistungs- und Energiemärkte ist dabei von immer größerer Bedeutung – die funktionierenden Mechanismen müssen nun auch großflächig ausgerollt und optimiert werden.

Steffen Hornung (Geschäftsführer advalju GmbH) stellte eine Datenplattform vor, die es Externen Marktteilnehmern (EMT) ermöglicht, über das Smart Meter Gateway (SMGW) mittels Controllable Local Systems (CLS)-Kanal und die CLS-Management-Plattform Anlagen bis hin zu Kleinstgeräten zu steuern. Neben der durch § 14a EnWG vorgesehenen netzdienlichen Steuerung wird dabei großer Wert auf die marktlichen Nutzungsmöglichkeiten und somit das Potenzial wirtschaftlich optimierter Anlagenführung gelegt. Wichtig ist hierbei die Interoperabilität sowohl auf Hardware- als auch auf Protokollebene, um so eine Integration aller Komponenten und den problemlosen Datenaustausch mit Drittsystemen zu ermöglichen. Die zeitliche Auflösung ist dabei nicht auf den SMGW-Standard von 15 Minuten-Intervallen beschränkt, auch geringere Auflösungen (z. B. Sekunden) und damit eine granularere Anlagensteuerung sind möglich. Bei der Steuerung von Anlagen sind dabei die Netz- und Systemstabilität oberstes Gebot, netz- oder systemdienliche Steuersignale werden gegenüber marktlichen Anweisungen stets priorisiert. Die Resilienz des Energiesystems wird somit bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Optimierung der Anlagenführung gewährleistet.

Im Abschlusspanel diskutierten dann Dr. Ruwen Konzelmann (Theben Smart Energy GmbH), Dr. Manuel Lösch (InnoCharge GmbH) und Nikolaus Starzacher (Countrol GmbH) über den aktuellen Stand der Dinge sowie zukünftige Herausforderungen. Wichtig sei eine Skalierung der Prozesse beim Smart Meter Rollout, zum Beispiel eine Automatisierung der Bestell- und Lieferprozesse, um die Entwicklungen weiter voranzutreiben. Auch müsse die Komplexität im Gesamten und in Einzelprozessen reduziert werden, um das Gelingen des Rollouts und der Etablierung der Geschäftsmodelle voranzubringen. Aus Sicht der Endkundinnen und Endkunden darf sich die gesamte Sache nicht als zu kompliziert darstellen. So helfen niedrigschwellige Angebote wie etwa die Stromgedacht-App der Transnet BW GmbH dabei, Transparenz und Awareness zu schaffen. Aus Kundensicht sind Einfachheit, Transparenz und das Gefühl von Kontrolle zentrale Punkte. Attraktive Vergütungen können ebenfalls akzeptanzsteigernd wirken.

Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Get-Together bei Fingerfood und Getränken, welches Gelegenheit zur Vernetzung sowie zur ausführlichen Diskussion des Gehörten bot.

Wir danken allen Referentinnen und Referenten für die fundierten und spannenden Vorträge, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des SET Hub der dena sowie an Dr. Manuel Lösch (InnoCharge GmbH) für die tolle und produktive Zusammenarbeit bei der Organisation der Veranstaltung. Vielen Dank auch an alle Teilnehmenden vor Ort sowie per Livestream für das große Interesse am Thema und die vielen interessierten Fragen.

Die Vortragsfolien finden Sie hier zum Download.

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