Vom Smart Meter Rollout zum Smart Grid Rollout
Mit mehr als einer Million installierten intelligenten Messsystemen Ende 2024 ist der Smart Meter Rollout in Deutschland endlich ins Rollen gekommen. Doch einige Herausforderungen bleiben bestehen.

Mit mehr als einer Million installierten intelligenten Messsystemen Ende 2024 ist der Smart Meter Rollout in Deutschland endlich ins Rollen gekommen – doch bis zur flächendeckenden Umsetzung bleibt sehr viel zu tun. Dass der deutsche Weg zur Umsetzung intelligenter Messsysteme an vielen Stellen sehr steinig war bzw. ist, dürfte den meisten Lesenden bekannt sein. An dieser Stelle wird nochmals ein Überblick über den Werdegang des Smart Meters in Deutschland gegeben, die jüngsten Entwicklungen skizziert und ein Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen geworfen.
Smart Meter – Kernelement für Netztransparenz und Anlagensteuerung in der Niederspannung

Im Bild die Testwand für Smart Meter Gateways der Theben Smart Energy GmbH.
Dass der schon beinahe sprichwörtliche Smart Meter Rollout kein Selbstzweck ist, sondern ein Kernelement der Digitalisierung der Energienetze darstellt, ist den Fachleuten geläufig. Im Kontext der Öffentlichkeit und auch in politischen Debatten wird dies jedoch nicht immer berücksichtigt. Berechtigte Datenschutzfragen wurden von Energiewendegegnern überhöht, um so eine negative Stimmung gegen Smart Meter zu schaffen. Dass dies glücklicherweise nicht gelang, ist auch der deutschen Gründlichkeit mit extrem hohen Anforderungen an den Datenschutz und Datensicherheit geschuldet, die allerdings auch für einige Verzögerungen bei der Umsetzung sorgten.
Doch auch fernab gezielter Negativpresse hatte es der Smart Meter Rollout in der öffentlichen Debatte nicht immer leicht: Dass der Nutzwert des Smart Meters für die einzelnen Haushalte bislang nur schwer zu erklären war, trug sicherlich auch dazu bei. Doch auch dies wandelt sich derzeit: Mit der Verfügbarkeit variabler Energietarife, flexibler Netzentgelte und komfortabler Möglichkeiten zur Integration in ein Heimenergiemanagement-System (HEMS) kristallisiert sich der Mehrwert der Smart Meter, nicht nur für das Energiesystem, sondern auch für den einzelnen Haushalt nun deutlicher heraus.
Für das Energiesystem ist der Nutzwert des Smart Meters deutlich nachvollziehbarer: Die Messung an den Millionen Netzanschlusspunkten erfolgt durch den Smart Meter zukünftig mit 96 Messwerten pro Tag, für Leistung und Energieverbrauch, Phasenwinkel und weitere Messgrößen. Das lässt den bislang die Zählerkästen dominierenden Ferraris-Zähler alt aussehen und seine letzten Runden drehen, da dieser nur die Summe des Energieverbrauchs, in der Regel einmal jährlich, durch manuelle Ablesung aufzeigte. Dass der Smart Meter mit den gemessenen Parametern eine viel bessere Vorhersage der Netzbelastungen und damit der Netzführung ermöglicht, ist eingängig. Und neben der Messung hat sich mit den jüngsten Entwicklungen die Steuerung nunmehr als eine der Kernkompetenzen des Smart Meter Gateway etabliert – die netzdienliche Integration von Verbrauchseinrichtungen nimmt also nun auch Fahrt auf.
Frühe Anfänge, Rückschläge und der Neustart der Digitalisierung der Energiewende
Mit dem BMWi-Förderprogramm E-Energy wurde 2008 der erste Fokus auf die intelligente und digitale Vernetzung von Komponenten des Energiesystems gelegt. Erste Modellregionen sollten die Potentiale digitaler Energiesysteme demonstrieren, das SmartGridsBW-Mitglied MVV war mit „moma“ der Modellstadt Mannheim ganz vorne mit dabei. Die daraus abgeleiteten Bedarfe zur Schaffung intelligenter Netzendpunkte in den einzelnen Haushalten führten zur Spezifikation wesentlicher Anforderungen, die später in den Gesetzgebungsprozess eingehen sollten. Die 2013 veröffentlichte EY-Studie sollte mit dem damaligen Kenntnisstand zu einer der Grundlagen für die weiteren Definition und Ausgestaltung von Smart Grids werden.
2016 folgte dann mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende (GDEW) der erste „große Wurf“ für den regulatorischen Rahmen intelligenter Energienetze: Die Komponente Smart Meter wurde als Kernelement definiert (moderne Messeinrichtung + Smart Meter Gateway) und die Rahmenbedingungen für ihre technische Gestaltung sowie den Implementierungsprozess wurden ausgearbeitet. Die angestrebte Härtung der Smart Meter Gateways gegen IT-Angriffe führte zu Verzögerungen: Die Entwicklung BSI-konformer Smart Meter Gateways erwies sich als deutlich komplexer als ursprünglich angenommen. Die hohen, implementierten Sicherheitsanforderungen für die als kritische Infrastruktur eingestuften Komponenten führten zu mehrjährigen Verzögerungen bei der Zertifizierung.
2020 erfolgte durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Markterklärung, von vielen sehnlichst erwartet – der offizielle Startschuss für den flächendeckenden Smart Meter Rollout. Doch die Euphorie war verhalten und währte nur kurz: 2021 erklärte das Oberverwaltungsgericht Münster die Markterklärung für rechtswidrig, für die klagenden Akteure wurde die Umsetzungspflicht in jenem Moment aufgeschoben. Die komplexe rechtliche Gemengelage stellte einen erheblichen Rückschlag dar, da jegliche Rechtsunsicherheit ein unmittelbares Investitionshemmnis für die beteiligten Akteure darstellt. In Anbetracht der Vielzahl der zu verbauenden Einheiten, dem Mangel an Installationspersonal und der knapp bemessenen Zeit ein umso größeres Problem für den flächendeckenden Smart Meter Rollout. 2022 nahm das BSI schließlich die Markterklärung zurück.
2023 markierte dann die Wende: Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) räumte die bekannten rechtlichen Hürden zu einem großen Teil aus dem Weg und schuf klarere Rahmenbedingungen für die Messstellenbetreiber. Sowohl ein agiler Rollout, die Möglichkeit einer nachträglichen Implementierung von Tarifanwendungsfällen und eine Vereinfachung der sicheren Lieferkette (SiLKe) trugen neben weiteren Anpassungen dazu bei. Lesen Sie hier mehr.
2024 bis heute: Der Smart Meter Rollout rollt an – und wird zum Smart Grid Rollout

Eine FNN-Steuerbox CSX-324 der Theben Smart Energy GmbH.
Die Auswirkungen des Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende waren deutlich spürbar: Ende 2024 überstieg die Zahl installierter intelligenter Messsysteme erstmals die Millionenmarke (Pflichteinbaufälle und freiwillige Einbaufälle in Summe).
Ein wesentlicher Meilenstein war die Novelle des §14a EnWG, welche die Netzintegration von Verbrauchsanlagen wie Wallboxen und Wärmepumpen definierte. Die daraus erwachsenden Möglichkeiten werden als wegweisend angesehen. So wurde eine der Befürchtungen, die zuvor kritisierte Möglichkeit des „unbeschränkten Dimmens“ beim Netzengpässen, vollständig ausgeräumt und eine Mindestleistung von 4,2kW garantiert. Weiterhin ermöglicht die Novelle eine standardisierte Integration der Anlagen über das Smart Meter Gateway und die Steuerbox, die eine Vielzahl von Optionen zur Betriebsführung (z.B. mittels eines HEMS) und die Vergütung mittels dreier Module eröffnet. Diese Richtungsänderung in der Zielsetzung der Smart Meter – von der Schaffung der Netztransparenz hin zur Integration von definierten und abgesicherten Steuerungsprozessen – hat auch international Nachahmer gefunden.
Doch auch dies stellt noch keinen allzu großen Grund für Euphorie dar: Die jahrelange Verspätung der Smart Meter und der noch geringe Anteil an der Gesamtmenge der Netzanschlusspunkte reihen sich in die Kritik am GNDEW ein: Viele Messstellenbetreiber zeigten auf, dass die niedrigen Preisobergrenzen für die Messstellenbetreiber eine große Herausforderung im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit darstellten. Weiterhin waren noch keine zertifizierten Steuerboxen für die sichere Integration von Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen im Sinne des §14a EnWG verfügbar. Für die Messstellenbetreiber stellte sich so die Frage, ob ein Smart Meter installiert werden sollte, um dann nachträglich bei einer zweiten Fahrt die Steuerbox zu installieren – oder abzuwarten, um wertvolle Zeitressourcen des knappen Installationspersonals zu sparen.
2025 wurden mit der Novelle des Messtellenbetriebsgesetzes (MsbG) einige der Kritikpunkte am GNDEW ausgeräumt. Insbesondere die Preisobergrenzen wurden angepasst, um den Betreibern wirtschaftliche Erwartungssicherheit zu gewährleisten.
Viele Herausforderungen bleiben bestehen
Auch wenn die Entwicklung das richtige Vorzeichen hat, bleiben viele Baustellen bestehen:
- Die Rolloutquoten der Messstellenbetreiber skalieren deutlich mit ihrer Größe. Große Messstellenbetreiber (>500.000 MSt) liegen mit 20,4% der Pflichteinbaufälle deutlich vor kleinen Betreibern (<30.000 MSt) mit 4,2% (Quelle: Bundesnetzagentur). Die Erklärung durch Skaleneffekte (größere Hardware-Abnahmen, mehr Personal, mehr Finanzressourcen etc.) ist schnell gefunden, die dringende Frage, wie auch jene kleineren Messstellenbetreiber unterstützt werden können, ist bei weitem nicht so schnell beantwortet. Derzeit etablieren sich einige Anbieter, die als One Stop Shop alle Dienstleistungen von der Installation bis hin zu Betrieb und Abrechnung übernehmen.
- Praktische Umsetzungshürden bleiben bei allen Messstellenbetreibern bestehen. Logistische Engpässe bei Komponenten, anhaltender Mangel an Installationspersonal, wirtschaftliche Unsicherheiten und die Komplexität der Umsetzung der Interaktion zwischen den Akteuren im Bereich Smart-Meter-Datenhandling bleiben bestehen.
- Die Integration intelligenter Messsysteme in das bestehende Energiesystem erweist sich als systemisch komplex. Die Koordination zwischen Netzbetreibern, Messstellenbetreibern und Energieversorgern erfordert die Modifikation bestehender Geschäftsprozesse, rechtssicheren Datenaustausch etc.
- Die Festlegung der Pflichteinbaufälle auf Basis des Verbrauchs bzw. der verbauten Anlagen steht auch verschiedentlich in der Kritik. So sind von allen rund 54 Millionen Messlokationen in Deutschland nur rund 4,7 Mio. Fälle als Pflichteinbaufälle definiert. Diese Zahl wächst zwar mit der Anzahl der Anlagen, die nach §14a EnWG auch zum Pflichteinbaufall werden, stellt jedoch weiterhin die Frage in den Raum, wie viele Messlokationen benötigt werden, um eine gute Netztransparenz zu erreichen. Außerdem sind die Smart Meter Voraussetzung für die Nutzung dynamischer Energietarife. Endverbraucher ohne Smart Meter werden ausgeschlossen.
- Der freiwillige Einbau von Smart Metern fällt nicht unter die Preisobergrenzen und wird von manchen Messstellenbetreibern mit so hohen preislichen Aufschlägen versehen, dass dies interessierte Bürgerinnen abschrecken kann. Selbst wenn dies keine gängige Praxis ist – die negativen Schlagzeilen stehen schnell im Raum und stellen ein Akzeptanzhemmnis dar.
Weiterführende Links
- Bundesnetzagentur: Offizielle Smart Meter-Rolloutquoten
- BMWE Themenseite: Smart Meter
- BDEW Themenseite: Smart Meter