Die Smart Grids-Roadmap BW 2.0 – Leitplanken für die Gestaltung intelligenter Energienetze bis 2030

Am 01. Dezember 2022 wurde die neue Smart Grids-Roadmap BW 2.0 der Öffentlichkeit vorgestellt. Wichtige Informationen zu den Inhalten des Strategiepapiers und seinem Entstehungsprozess finden Sie hier.

Veröffentlicht: 12. Dezember 2022 | Kategorie: Allgemein, Blog, SmartGrids-Roadmap | Autor / Autorin: Christian Schneider

Über die Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0

Die Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 zeigt die Leitplanken für die Umsetzung intelligenter Energienetze bis 2030 auf. Mehr als 140 Teilnehmende aus dem Kreis der Energiewendeakteure in Baden-Württemberg erarbeiteten unter der Moderation von SmartGridsBW Zielsetzungen und Meilensteine für die verschiedenen Herausforderungen intelligenter Energienetze. Am 01.12.2022 wurde die Roadmap auf dem 11. Smart Grids-Kongress in Fellbach der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Ergebnisse der Roadmap zeigen deutlich, dass die Expertise mit dem Erfahrungswissen so vieler Energiewendeakteure zu einem deutlich tieferen Verständnis für die zu überwindenden Herausforderungen beiträgt. Dies spiegelt sich in den Ergebnissen der Roadmap wider, welche die relevanten Themen aus den Perspektiven der verschiedenen Akteure diskutiert. Die Veröffentlichung der Roadmap indes ist nun nicht der End-, sondern der Startpunkt: Die Maßnahmen gilt es nun für alle Akteure im Land und darüber hinaus umzusetzen.

Die Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 liegt sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form vor. Zusätzlich ist eine Kurzversion verfügbar, welche die Herausforderungen, Ziele und die daraus resultierenden Forderungen an Entscheidungstragende in Kürze zusammenfasst. Alle Versionen finden Sie hier im Downloadbereich.

Christian Schneider (Projektleiter bei der Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V.) stellt im Rahmen des 11. Smart Grids-Kongress Baden-Württemberg „Auf dem Weg zum intelligenten Energiesystem“ am 1. Dezember 2022 in Fellbach die neue Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 vor.

Die Inhalte der neuen Roadmap

Die neue Roadmap behandelt eine Reihe von Themen, die für die Gestaltung intelligenter Energienetze essenziell sind. Dazu zählen insbesondere übergreifende Herausforderungen, die bei allen Smart Grids-Aktivitäten relevant sind, sowie vier Handlungsfelder, welche die wesentlichen Aspekte bei der Gestaltung intelligenter Energienetze diskutieren:

  • Netz und Markt verbünden
  • Sektorkopplung konsequent denken
  • Forschungsförderung und Reallabore
  • Partizipation auf allen Ebenen ermöglichen

Jedes der vier Handlungsfelder besteht aus einer Reihe von Unterkapiteln, welche die Themen strukturieren und die verschiedenen Bereiche im Querschnitt betrachten. Das bedeutet, dass die Themen nicht anhand der einzelnen Technologien oder Konzepte (wie z. B. Smart Meter, E-Mobilität, Strom, Wasserstoff) betrachtet wurden, sondern jeweils im Hinblick auf den zukünftigen Einsatz unter Realbedingungen.

Wichtig bei der Erstellung der Roadmap war es, zu den verschiedenen Herausforderungen bei der Gestaltung intelligenter Energienetze konkrete Ziele bis 2030 zu benennen und die Maßnahmen, die hierfür notwendig sind, zu erläutern. Weiterhin wurden zu jedem Thema die Forderungen an die Politik und die Anforderungen an die Akteure herausgearbeitet, die es zu bearbeiten gilt, um die im Handlungsfeld beschriebenen Ziele zu erreichen.

Übergreifende Herausforderungen

Neben den vier Handlungsfeldern wurde auch eine Reihe übergreifender Herausforderungen identifiziert, die für alle Bereiche gleichermaßen gelten. Der Mangel an Zeit, die Personalknappheit (sowohl bei Installations- als auch beim IT-Personal), die Knappheit an Finanzmitteln, die Art der Bereitstellung von Finanzressourcen sowie Lieferengpässe der Hardware wurden thematisiert. Weiterhin gilt es, die Interoperabilität der Anlagen zu stärken sowie die Digitalisierung allgemein voranzutreiben und regulatorische Hürden abzubauen.

Handlungsfeld I: Netz und Markt verbünden

  • Hinreichende Netztransparenz schaffen
  • Netzführung (teil-)automatisieren
  • Variable Energie-/Leistungstarife verfügbar machen
  • System- und netzdienliche Flexibilitäten wirtschaftlich heben

Das Handlungsfeld thematisiert in den Unterkapiteln die Verknüpfung von technischen, prozessualen und wirtschaftlichen Aspekten des Betriebs von Energienetzen. Dazu gehören vergrößerte Netztransparenz (besonders in der Niederspannung und den Gasverteilnetzen) wie auch die Möglichkeit, (teil-)automatisierte Abstimmungsprozesse in der Netzführung zu implementieren. Neben der technischen Umsetzung der Komponenten, den notwendigen Standardisierungsprozessen und Systementwicklungen gilt es ebenso, diese wirtschaftlich zu gestalten. Dies beinhaltet die Schaffung funktionaler Vergütungsmechanismen für den Flexibilitätenbetrieb und variable Energietarife für Endkundinnen und -kunden.

Eine Zusammenfassung der erarbeiteten Ziele und Maßnahmen zu Handlungsfeld I finden Sie in dieser grafischen Übersicht.

Handlungsfeld II: Sektorkopplung konsequent denken

  • Sektorkopplung konsequent in Planungsprozesse einbeziehen
  • Elektrische Wärme, Verkehr und H2-Netze integrieren
  • Marktintegration und konsequente Hebung von Flexibilitäten
  • Wasserstoff in die Energienetze integrieren

Energieerzeugung, -transport und -nutzung werden noch viel zu häufig getrennt nach Sektoren betrachtet. Nur durch konsequente Sektorkopplung – beginnend schon in der Planung von Wärme- und Mobilitätsnutzung und deren gezielter Verzahnung mit den Stromnetzen – kann die Energiewende mit größtmöglicher Effizienz vorangetrieben werden. Wasserstoff wird als Energieträger ebenso eine wichtige Rolle bei der Energieübertragung spielen und fossiles Gas verdrängen. Diese verschiedenen Aspekte der Energienutzung müssen jetzt schon in Planungsprozessen, der Umsetzung und den zukünftigen Nutzungsszenarien bedacht werden.

Eine Zusammenfassung der erarbeiteten Ziele und Maßnahmen zu Handlungsfeld I finden Sie in dieser grafischen Übersicht.

Handlungsfeld III: Forschungsförderung und Reallabore

  • Forschungsförderung für Innovationen im Bereich Smart Grids
  • Bestehende Reallabore in den wirtschaftlichen Dauerbetrieb überführen
  • Voraussetzungen für den Weiterbetrieb bereits bei Projektstart klären

Es gilt, auch zukünftig Forschung anzureizen, speziell, um die Weiterentwicklung und kontinuierliche Optimierung der Technologien und Vergütungsmodelle zu ermöglichen. Die Zugänglichkeit des Förderdschungels soll dabei besonders für kleinere und mittlere Akteure verbessert werden. Weiterhin gilt es zu prüfen, ob bestehende Reallabore in den Dauerbetrieb überführt werden können – sofern technisch und wirtschaftlich machbar.

Eine Zusammenfassung der erarbeiteten Ziele und Maßnahmen zu Handlungsfeld I finden Sie in dieser grafischen Übersicht.

Handlungsfeld IV: Partizipation auf allen Ebenen ermöglichen

  • Kommunen als Drehscheibe für die Implementierung von Smart Grids
  • Intermediäre Akteure als Umsetzer, Nutzer und Multiplikatoren
  • Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung intelligenter Energienetze involvieren

Die Involvierung der gesamten Gesellschaft ist notwendig, um Energiewende und Umsetzung intelligenter Energienetze schnell und effizient voranzubringen. Dabei sind neben der Bevölkerung auch Kommunen sowie die vermittelnden (sog. „intermediären“) Akteure relevant. Diese stellen die wichtigsten Multiplikatoren dar, da sie von den Mitgliedsunternehmen und der Bevölkerung wahrgenommen werden. Gleichzeitig verfügen Sie über eigene Gebäude und Liegenschaften, welche Sektorkopplung und die Nutzung von Flexibilitäten dort vorhandener Anlagen ermöglichen.

Eine Zusammenfassung der erarbeiteten Ziele und Maßnahmen zu Handlungsfeld I finden Sie in dieser grafischen Übersicht.

Der Entstehungsprozess der neuen Roadmap

Mit der Präsentation der Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 am 11. Smart Grids-Kongress in der Schwabenlandhalle in Fellbach endete der vorausgegangene 13-monatige Prozess, in welchem sich mehr als 140 Teilnehmende aus der baden-württembergischen Akteurslandschaft beteiligten.

Startpunkt für den Roadmap-Prozess war der Call for Inputs beim 10. Smart Grids-Kongress in Fellbach, an welchem zur Eingabe von Themen und Inhalten für die neue Smart Grids-Roadmap aufgerufen wurde. Mit dem Kickoff-Workshop am 17.02.2022 wurden die Zielsetzungen der neuen Roadmap diskutiert und darauf aufbauend die Fragen nach den Inhalten und ihrer Darstellung erörtert. Aus den E-Mail-Inputs und den Diskussionen des Kickoff-Workshops wurden die Herausforderungen der vier Handlungsfelder benannt und zu Inputs für die Diskussionen über Zielsetzungen und Maßnahmen sowie Forderungen verdichtet. Diese wurden allen Teilnehmenden für die vier inhaltlichen Workshops (Netz und Markt verbünden, Sektorkopplung konsequent denken, Forschung fördern und Reallabore in den wirtschaftlichen Dauerbetrieb überführen, Partizipation auf allen Ebenen ermöglichen) zur Verfügung gestellt.

Alle Teilnehmenden hatten jederzeit die Möglichkeit ihren Input per E-Mail einzubringen und in den fünf Online-Workshops alle Handlungsfelder ausführlich zu diskutieren. Um die Transparenz bei der Genese der Roadmap sicherzustellen, wurden Veränderungen am Roadmap-Text jeweils dem ganzen Kreis transparent gemacht.

Den Abschluss der Diskussionsphase bildete der Syntheseworkshop am 29.09.2022, wo die vorläufig finalen Inhalte der Roadmap nochmals diskutiert wurden. Wichtige Bemerkungen aus dem Teilnehmendenkreis, sowohl zur Struktur der Roadmap als auch zur Tonalität der Inhalte, wurden hier nochmals in großer Runde besprochen. Anschließend wurde seitens des Redaktionsteams von SmartGridsBW die finale Roadmap-Version erstellt. Diese wurden den Teilnehmenden nochmals zu einer letzten Überprüfung übersendet, um alle namentlichen Erwähnungen im finalen Dokument zu bestätigen.

SmartGridsBW

Teilnehmende des Roadmap-Syntheseworkshops am 29.09.2022 in der Universität Stuttgart.

Die Ursprünge der Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0

Die Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 basiert auf der ursprünglichen Smart Grids-Roadmap, den seitdem gewonnenen Projekterfahrungen und dem Empfehlungspapier  zur Überarbeitung der Smart Grids-Roadmap.

Angestoßen durch die im Jahr 2012/2013 erstellte erste Roadmap für die Umsetzung von Smart Grids in Baden-Württemberg wurden in den letzten Jahren vielerlei Technologien und Einsatzbereiche für Smart Grids entwickelt und in Forschungs- und Demonstrationsprojekten untersucht. Nicht zuletzt mit den Erfahrungen aus dem Projekt C/sells sowie den Aktivitäten und Projekten der Akteure im Land wurden wertvolle Erkenntnisse gewonnen, wie Smart Grids als Energienetze der Zukunft gestaltet sein müssen, um die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft und damit verbundener Sektoren möglichst effizient zu gestalten.

Das Empfehlungspapier für die Überarbeitung der Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg hin zu einer neuen Version (2.0) entstand im Zeitraum von 2020 bis 2021 unter der Moderation von SmartGridsBW. Es wurde im Rahmen eines viermonatigen Prozesses mit rund 70 Teilnehmenden erarbeitet. Die Ergebnisse dieses Papiers waren die Grundlage für die Gestaltung der neuen Roadmap – sowohl inhaltlich als auch in Bezug auf den Prozess.

Wichtig für die inhaltliche Gestaltung der Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 war unter anderem die Erkenntnis, dass die Bemühungen sich nun weg von der Grundlagenforschung hin zur Implementierung von Smart Grids in den Praxisbetrieb bewegen sollen. Die Technologien dürfen nicht immer nur für sich betrachtet werden, sondern Netzorganisation, Netztechnik und neue Geschäftsmodelle müssen im Querschnitt gedacht und auch integrativ umgesetzt werden. Dies wird in Handlungsfeld I der neuen Roadmap erarbeitet. Genauso muss stets eine Betrachtung der Energieerzeugungs- und Nutzungsarten über die verschiedenen Sektoren (Wärme, Strom, Mobilität) erfolgen (Handlungsfeld II). Reallabore sollen die Brücke vom Labor- in den Dauerbetrieb darstellen (Handlungsfeld III) und die Partizipation an der Gestaltung und Umsetzung der Energienetze soll auf allen Ebenen gefördert werden (Handlungsfeld IV).

Neben den inhaltlichen Vorgaben für die neue Roadmap ergaben sich ebenso Hinweise zur Positionierung und zur Struktur. So sollte eine Verzahnung der Roadmap mit den weiteren Landesaktivitäten erfolgen, um Synergien durch die Ermittlung von Schnittstellen zu heben – etwa mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft und der Wasserstoff-Roadmap BW.

Die neue Roadmap sollte Meilensteine und konkretisierte Entwicklungsziele für die Umsetzung von Smart Grids aufzeigen. Weiterhin wurde in den Diskussionen deutlich, dass der Prozess partizipativ und transparent ausgerichtet werden sollte, um das vielfältige Erfahrungswissen der Energiewendeakteure im Land zu berücksichtigen, da dieses die Ableitung von Handlungsbedarfen weit über eine theoretische Konzeption hinaus ermöglicht – dies ist in der neuen Smart Grids-Roadmap Baden-Württemberg 2.0 deutlich sichtbar.

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