Rückblick: Smart Grids-Gespräche – „Neuerungen § 14a EnWG“ am 09.04.2024

Wenige regulatorische Anpassungen wurden in den letzten Jahren so detailreich diskutiert wie die Neuerungen zum § 14a EnWG. Bei unseren SG-Gesprächen beleuchteten wir die Regelungen aus verschiedenen Perspektiven.

Veröffentlicht: 12. April 2024 | Kategorie: Allgemein, Blog | Autor / Autorin: Julia Müller

Nachbericht

Smart Grids-Gespräche am 09. April 2024: Neuerungen § 14a EnWG

 

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Wenige regulatorische Anpassungen wurden in den letzten Jahren so detailreich diskutiert und erwartet wie die Neuerungen zum § 14a EnWG. Zum ersten Januar 2024 traten diese in Kraft. Zuvor hatte die Bundesnetzagentur die neuen Regelungen in zwei Konsultationsrunden festgelegt.

Mit der Novelle soll unter anderem sichergestellt werden, dass sogenannte steuerbare Verbrauchseinrichtungen (z. B. Wärmepumpen, Wallboxen etc.) sicher und zügig ins Stromnetz integriert werden. Um mögliche Netzengpässe zu vermeiden, sollen Netzbetreiber den Strombezug dieser Einrichtungen temporär dimmen können.

Diese neuen Festlegungen bergen Chancen und auch Herausforderungen für alle beteiligten Stakeholder. Wie diese aussehen, diskutierten wir am 09. April 2024 bei unseren Smart Grids-Gesprächen.

Nach einleitenden Worten von Arno Ritzenthaler (Geschäftsführung Smart Grids-Plattform Baden-Württemberg e.V.) und unserer Vorständin Carmen Schantl (Netze BW GmbH) stellte Katrin Heer (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg) in einem kurzen Impulsvortrag die Perspektive der Landesregierung auf die aktuellen Neuerungen des § 14a EnWG dar. Im neuen Energiesystem mit volatiler Stromerzeugung und Prosumern ermögliche es der § 14a EnWG, wichtige Flexibilitätspotenziale, welche in den kommenden Jahren zudem massiv ansteigen werden, zu aktivieren und regle ihren systemdienlichen Einsatz.

Danach gab Rechtsanwalt Dr. Michael Weise (Becker Büttner Held) einen Überblick über die Festlegungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum § 14a EnWG aus juristischer Perspektive. Das aktuelle Niederspannungsnetz ist für den zunehmenden Zubau von Erzeugungsanlagen, die zunehmende Sektorenkopplung und die voranschreitende Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors nicht ausreichend dimensioniert. Deshalb sei die in § 14a EnWG festgelegte Steuerung ein zusätzliches (vorübergehendes) Instrument zur Gewährleistung der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Stromnetzes, bis ein ausreichender Netzausbau in der Verteilnetzen stattgefunden habe. Grundsätzlich sei eine netzorientierte Steuerung auf Basis einer Netzzustandsermittlung vorgesehen, bis Ende 2028 sei übergangsweise auch eine präventative Steuerung unter Auflagen möglich. Kundinnen und Kunden, deren steuerbare Verbrauchseinrichtung unter § 14a EnWG fallen, profitieren von Netzentgeltreduzierungen, welche in drei verschiedenen Modulen angeboten werden.

Einen Blick auf die Sachlage aus Sicht der Verteilnetzbetreiber stellte Eric Junge (Netze BW) vor. So zeigen die Prognosen für den Hochlauf von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen bis 2045 eine Verdreißigfachung privater E-Fahrzeuge (inkl. privater Ladeinfrastruktur), eine Versechsundzwanzigfachung der Wärmepumpen sowie einen weiteren Anstieg im Bereich Photovoltaik kombiniert mit Batteriespeichern. Da Netzbetreiber Netzanschlussersuchen nicht mehr ablehnen dürfen, sei der § 14a EnWG nötig, um Kundenanlagen weiterhin schnell und versorgungssicher in die Netze aufnehmen zu können, während an der physischen Verstärkung der Stromnetze gearbeitet werde. So seien derzeit nahezu 100 Prozent der neu anzuschließenden privaten Ladepunkte für E-Fahrzeuge steuerbare Verbrauchseinrichtungen nach § 14a EnWG. Wichtig sei, dass jede unter § 14a EnWG fallende Kundenanlage, die ab sofort ans Netz gehe, den technischen Mindestanforderungen für die Steuerung entspreche bzw. für eine Nachrüstung von intelligenten Messsystemen und Steuertechnik ausgelegt sei. Letztere werde derzeit nicht flächendeckend, sondern nur nach Bedarf verbaut.

Oliver Pfeifer (Netze BW) näherte sich in seinem Vortrag der Novelle des §14 EnWG aus Sicht des grundzuständigen Messstellenbetreibers (gMSb). Da die Steuerboxen über die Smart-Meter-Infrastruktur angebunden werden, stellt diese Infrastruktur eine unbedingte Voraussetzung dar. Herr Pfeifer zeigte auf, welchen Herausforderungen der gMSb bis hin zur Steuerungsmöglichkeit zu bewältigen hat. Der Smart Meter Rollout erfordert in den kommenden Jahren mehrere hunderttausende Einbauten. Die zughörigen Steuerboxen für die §14a-Anlagen müssen ebenso nach deren BSI-Zertifizierung ausgerollt werden. Neben dem Einbau und der technischen Integration selbst muss auch die prozessuale Einbindung der Geräte gewährleistet werden – hier gilt es auch seitens des Gesetzgebers den notwendigen Rahmen zu schaffen. Ebenso müssen die Standardisierungsgremien reliable Standards schaffen, um die Interoperabilität aller Geräte zu gewährleisten. Die rechtlichen Anforderungen weisen ein hohes Maß an Komplexität auf, je kurzfristiger sich diese Anforderungen ändern, desto schwieriger ist deren Umsetzung – für den Gesetzgeber gilt es auch dies zu berücksichtigen. Die vielen Herausforderungen werden durch ein stufenweises Vorgehen gemeistert, bis alles umgesetzt ist, gibt es allerdings noch viel zu tun.

Thomas Zimmermann (Fachverband Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg) berichtete aus „dem Maschinenraum“ der Energiewende und eröffnete mit einem pointierten Satz: „Es wäre alles schön, wenn Neubau wäre und am 01. Januar 2024 begonnen hätte“, denn bei den 70% Bestandsgebäuden wäre die Sachlage für den Einbau nämlich deutlich komplexer. Neben der technischen Komponente und rechtlichen Fragen wie dem (jeweils zu klärenden) Bestandsschutz von Altanlagen, stellt auch die Kurzfristigkeit der Neuerungen alle Beteiligten vor Herausforderungen. So waren die 35 Tage zwischen Verkündung und Inkrafttreten eine große Herausforderung, die Fragen nach der Zulässigkeit (kurz zuvor ohne Kenntnis der Novellierung) errichteter Anlage sowie die Verfügbarkeit von Installationskomponenten sind zwei weitere Beispiele. Gegenüber den Endkundinnen und Endkunden stellt das Handwerk die erste Ansprechstelle dar, der Beratungsaufwand steigt durch die Komplexität deutlich. Auch im Falle von Mehrkosten z. B. durch die manchmal notwendige Erneuerung der Schaltschränke.

Wir danken allen Referenten für die interessanten Vorträge und Impulse und allen Teilnehmenden des Livestreams für die vielen interessierten und durchdachten Fragen. Wir freuen uns bereits auf weitere Veranstaltungen unseres Formats der Smart Grids-Gespräche.

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